Daniel, Jahrgang 1980

Erfahrungsberichte: Myasthenia gravis

Zuerst möchte ich mich kurz vorstellen: Mein Name ist Daniel (Ja,ein Mann!! …) Jahrgang 1980. Von Beruf her bin ich Dipl.-Fitnessökonom (BA).

Mein großes Hobby ist das Bodybuilding bzw. Kraftsport, was im folgenden naturgemäß eine wichtige Rolle spielen wird…

Erst vor kurzem, am 20.09.2007, wurde mir mein Thymom per vollständiger medianer Sternotomie entfernt.

Nun aber zu meiner eigentlichen, leider aufgrund ärztlicher Ignoranz(wohl typisch…)recht langwierigen und „holzwegreichen“ Diagnosevorgeschich te:

Es begann, rückblickend betrachtet, bereits vor 1,5 Jahren. Wie einleitend erwähnt bin ich Kraftsportler / Bodybuilder, seit gut 10 Jahren. Ich verfügte damals noch über 112kg hochleistungsfähige Muskelmasse, bei 11% Körperfett.

Dann jedoch blieben auf einmal weitere Trainingserfolge aus, trotz bester Ernährung, ausreichend Regeneration und natürlich intensivem Training. Naja, kann ja nicht immer nur Bergauf gehen, dachte ich mir. Außerdem habe ich zu dieser Zeit eine Gynäkomastie-Op gehabt, was 6 Wochen Zwangspause zur Folge hatte. Zu dieser Zeit bemerkte ich auch, daß ein Wirbel in der Mitte meiner Brustwirbelsäule deutlich hervorstand. Mein Hausarzt schickte mich mit Verdacht auf „Gippus“ zum Orthopäden. Dieser fertige ein Bild meiner BWS an, Ergebnis: An der BWS nichts gravierendes, aber er sagte meine Lunge sähe seltsam aus… Gleich am nächsten Tag beim Lungenfacharzt gewesen, Diagnose chronische Bronchitis, Belastungsasthma, und weswegen ich alles bisherige erzählte: Eingeschränkte Kraft der Atemmuskulatur(…)

In der folgenden Zeit bekam ich zwar öfters mal Bronchitisschübe, aber so an und für sich fühlte ich mich OK. Nachdem die Bronchitisschübe aufhörten ging ich auch nicht mehr zum Lungenfacharzt. Es folgte die entscheidente Zeit meines Studiums (Vordiplom), der Stresspegel stieg an. Damit erklärte ich mir auch meine Leistungseinbrüche beim Training, betroffen war insbesondere die Brustmuskulatur, was sich beim Bankdrücken und Butterflyübungen negativ bemerkbar machte. Alle übrigen Muskelgruppen waren wie gesagt nicht oder nur sehr gering von der Muskelschwäche betroffen, die Kraft war immer –noch- auf gutem Niveau.

Das weitere Absinken meiner Kraft in der Brustmuskulatur und zunehmend auch in der Schultermuskulatur veranlasste mich dann nach einigem Zögern dann doch einen Orthopäden aufzusuchen. Ich hatte immer noch meinen BWS-Gippus, inzwischen auch mit Schmerzbeschwerden,und vermutete von daher einen Zusammenhang – Nerveinklemmung ??

Es wurde ein MRT (=Kernspin) gemacht, ohne Ergebnis. In der Folgezeit sinkt meine Kraft in Brust und Schultern auf Anfängerniveau ab. Ich stelle mir selbst die Frage, ob ich evtl. im Übertraining sein könnte, weiß aber dass es nicht sein kann, da mein Trainingspensum all die Jahre zuvor wesentlich größer war, bei tollen Fortschritten…

Allmählich werde ich im Studio zur Witzfigur, der Spott der Trainingskollegen kommt auf… Dies ist insbesondere aufgrund meiner Trainer- und Studioleitungstätigkeit ziemlich bescheiden für mich… Ich geh zum Hausarzt, bettel um ein großes Blutbild, bekomm es, Ergebnis: Alles bestens! Arzt sagt, Werte wären besser als in meiner Hochleistungszeit 1,5 Jahre zuvor und ich würde mir meine Leistungsschwäche nur einbilden…

Ich kann nun keine genaueren Zeiträume mehr nennen, jedenfalls schleicht sich die Kraft nahezu aller Muskelgruppen allmählich aus meinem Körper… Dann sind da vereinzelt Tage gewesen, da ging es auf einmal wieder relativ gut…. Tags darauf geht wieder gar nix…. Ich werd langsam verrückt, frage mich ob ich vielleicht ein Psychoproblem hab… Im Alltag kommt es zu ersten merkwürdigen Erscheinungen, nachfolgend in der chronologischen Reihenfolge:

-komm beim Duschen nicht mehr unter die Achseln,Arme sind wie gelähmt…
-beim Jogurthessen hab ich Mühe den Löffel zum Mund zu bringen….
-beim Einsteigen ins Auto muß ich meine Füße neuerdings per Armzuhilfenahme ins Auto heben…
-im Stand kann ich mein Knie nur noch 20cm Richtung Kinn hochheben….
-zum Umdrehen des Zündschlüssels (und auch anderer Schüssel) reicht die Kraft nicht mehr, es geht nur noch beidhändig. Tags drauf gehts wieder einhändig wie Butter…
-ich hab Ärger mit meinem Chef, weil ich immerzu mit halbgeschlossenen Augen (Schlafzimmerblick) im Büro rumhock…

Meine Trainingsleistungen werden immer unterirdischer. Bin ich früher mitm Rad über die Alpen gefahren, ist jetzt schon der Weg zum Supermarkt anstrengend… Im Studio machen sich alle über mich lustig…

Es beginnt eine radikale Arzt-Odysee. Mein Kassenpatient-Dasein erschwert die kurzfristige Terminvereibarung… Ich kann nicht mehr genau sagen, bei wievielen Ärtzen ich war, aber es waren sehr, sehr viele. Immer im Wechsel Orthopäden und Neurologen…. Und immer das Gleiche: Nach stundenlangem Wartezimmer-Aufenthalt kommt der/die gestresste, wenig motivierte „Mediziner/in“ in den Behandlungsraum schaut mich an (ich hab immer noch 47cm Armumfang, Riesenbeine…) und lacht mich schon beinahe aus als ich von meiner Schwäche berichte…. Gleich kommt die Frage:“Haben sie Anabolika genommen?“,ich antworte wahrheitsgemäß mit „Nein“,aber man glaubt mir nicht. Empfehlung: 4 MonateTrainingspaus e und nix mehr nehmen…. Meine Blutprobe wird in der Praxis verschlampt, dann ermittelt das Labor die falschen Werte…. Ich hab „die Schnauze voll“ – ARZTWECHSEL!…

Ich geh zu einem Arzt, der selbst Bodybuilding macht (Dr.Dr.M.Schmidt in Nürnberg), eine gute Entscheidung. Er nimmt sich viel Zeit für mich, hört zu, stellt keine Anabolika-Frage, dafür viele andere. Endlich tut sich was, ich bekomm von ihm Überweisungen für wahnsinnig teuere Kernspinuntersuchun gen von Gehirn, LWS, BWS. Und eine Überweisung zu einem seiner Meinung nach sehr guten Neurologen (Dr.Leupold,Nürnberg und er sollte Recht haben).

In Strategien zum Erhalt von kurzfristigen Arztterminen bin ich mittlerweile richtig fit (dramatisieren!…), die Kernspintermine klappen kurzfristig – Allerdings ohne Ergebnis… Wieder kein Treffer…. Ich werd verrückt. Da wünscht man sich, dass der Arzt was auffälliges entdeckt, eigentlich geisteskrank – Aber die Ungewißheit ist furchtbar….

Dann der Termin beim Neurologen Dr.Leupold: Erst ist er auch etwas ungläubig, wegen meiner Statur, aber er nimmt sich Zeit hört zu stellt Fragen. Sofortdiagnose klappt nicht, aber er nimmt etliche Blutproben… Und jetzt der Hammer: Er erklärt mir, er könne nicht alle Tests in seiner Praxis durchführen, aus gerätetechnischen Gründen und überweist mich zum Myasthenie-Test (!!!!) und zur EMG (glaub ich) zu einem Neurologen-Kollegen.

Noch am selben Tag bekomm ich dort kurzfristig einen Termin. Der Neuroge mißt ca 15 min mit Strom meine Nervenbahnen durch, Ergebnis:Alles OK! Sie sind gesund und bilden sich ihre Schwäche nur ein…. Ich bin am Verzweifeln…

Ca. eine Woche später: Ich bin in der Arbeit, da geht mein Handy: Es ist Dr.Leupold. Er sagt, er habe die Laborwerte gerade erhalten und wisse nun den Grund für meine Schwäche: MYASTHENIA GRAVIS. Er sagt, mir sein Neurologen-Kollege habe seine Überweisung wohl nicht sorgfältig gelesen, denn er hat den Myasthenie-Test unter den Tisch fallen lassen und nur das EMG(o.ä.) durchgeführt…. Ich hätte es also schon eine Woche zuvor wissen können, hätte der zweite Neurologe nicht gepfuscht…

Dr. Leupold sagt, ich soll mein Bündel fürs Krankenhaus packen…. Und ich bin froh und Herrn Dr.Leupold sehr dankba, dass er endlich die Ursache entdeckt hat… Andererseits war da die Angst, was ist MG überhaupt?… daheim gleich „gegooglet“…. Am nächsten Tag in aller Frühe zu Dr.Leupold, Klinik-Eiweisungsschein und Einweisungsarztbrie f abgeholt…. Acetylcholinrezepto rwert bei 80, Sollwert liegt bei 0 bis max 0,4….

Noch am gleichen Tag per Notaufnahme ins Südklinikum Nürnberg, 4 Tage mit zahlreichen Tests festigen die MG-Diagnose und erkennen ein Thymom als Ursache…..

2 Wochen später Thymom–Op per vollständiger medianer Sternotomie im Klinikum Fürth durch Prof.H.Rupprecht (auch sehr empfehlenswert)… OP verläuft ohne Komplikationen, Thymom ist gutartig, nach nur einer Woche Klinikaufenthalt schon die Entassung. Jetzt muß das Sternum wieder zusammenwachsen, wird bis Anfang 2008 dauern…. Die Schmerzen sind erträglich,keine Angst, was mich mehr stört ist die Zwangstrainingspaus e…

Ich hoffe mit meinem Beitrag anderen (Bodybuildern /Kraftsportlern oder Sportlern allgemein) helfen zu können die Ursache ihrer „unerklärlichen“ Schwäche zu finden.

Alles Gute – mfG Daniel Schwab

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Nach der Thymektomie  dachte ich, die MG wäre nun vorbei_Falsch gedacht….Die Symptome kamen im Januar2008 wieder auf , schlimmer als vor der OP….
Bin jetzt auf 5*180mg Mestinon  und 4*50mg Imurek.
Beruflich hab ich nun natürlich das ganz große Los gezogen, habe die vergangenen Monate damit verbracht um eine Umschulung zu kämpfen.Vergebens.Obwohl mir ein Schwerbehindertenau sweis zuerkannt wurde(GdB60,Merkzeichen G) und ein Gutachten der Agentur für Arbeit besagt das ich nur noch „ständig leicht,überwiegend sitzend, nur gelegentlich gehend“ arbeiten kann kommt die Agentur f Arbeit in dem gleichen Gutachten zu dem Schluß, dass ich weiterhin als Fitnesstrainer/Dipl.Fitnessökonom arbeiten kann.PARADOX.
Nach meinem Widerspruch wurde meine Berufsunfähigkeit im Fitnessbereich dann doch noch anerkannt, aber finanzielle Unterstützung gibt’s trotzdem keine.
Werd jetzt ab Oktober 2008 Bauingenieurwesen studieren, auf der Basis eines Sparkassen-Studienkredits mit 8%Zinssatz und eines 400€ -Nebenjobs. Das verspricht anstrengend zu werden…
Wenn ich hier beschreiben würde,  was für eine schwachsinnige Bürokratie ich im letzten Jahr mitgemacht habe, kaum jemand würde es für möglich halten…Und gebracht hats mir wie gesagt nix, vielen Dank an unsere deutschen Amtsschimmel an dieser Stelle.

Fortsetzung folgt….