Douglas, Jahrgang 1934

Erfahrungsberichte: Myasthenia gravis

Ich bin KFZ-Meister und betrieb ein eigenes kleines Autoreparaturgeschäft. Mir fiel auf, daß ich bestimmte Arbeiten nur noch schwer verrichten konnte und die notwendigen Pausen immer länger ausfielen. Ich suchte meinen Hausarzt auf und dieser meinte, daß ich ja auch nicht jünger werde und mich etwas schonen solle. Er verschrieb mir Aufbaupräparate, die ich aber nur schlecht vertrug und die außerdem keine Wirkung zeigten. Also fand ich mich damit ab, daß ich wohl langsam an das Abstellgleis denken muß.

Im März 1996 bekam ich dann eine schwere Infektion. Als das Fiber die 40° Marke erreichte, kam mein Arzt und verordnete mir eine Infusion mit dem Antibiotika „Ciprobay“. Das Fieber schien davon aber wohl nichts zu merken, denn es ging nicht weg. Also wurde die zweite Infusion gesetzt, die dann die erwünschte Wirkung hatte.

Nachdem ich wieder aus dem Bett konnte, merkte ich, daß ich Doppelbilder sah. Da im Beipackzettel dieses Symptom als Nebenwirkung aufgezählt war, hofften wir bei weiterer Besserung darauf, daß diese Nebenwirkungen verschwinden.

Nach etwa einer Woche ging es mir so schlecht, daß ich mich mit Hilfe meiner Frau zum Arzt schleppte. Dieser erschrak und vermutete einen Schlaganfall. Also mußte ich sofort einen Kernspin machen, der aber negativ verlief. So wurde auf Durchblutungsstörungen durch Verstopfung der Halsschlagadern getippt. Als auch dieses Resultat negativ war, nächster Tipp: Borelliose durch Zeckenbiß. Da ich wußte, daß mich nie eine Zecke gebissen hatte, meinte man, daß ein infiziertes Haustier die Borrelliose übertragen haben könne. Also ließ ich stationär eine Nervenwasserentnahm e machen. Ergebnis negativ. Weil man schon dabei war, wurde auch noch das Knochenmark punktiert um eine Störung in diesem Bereich auszuschließen.

Fazit des Ganzen: Kopfschütteln der Ärzte und der lapidare Schluß „Jetzt kann es nur noch neurologisch sein“.

Nun kam ich in die Neurologie und es wurde per EMG die Myasthenia gravis festgestellt.

Aussage der Neurologen: „Wir haben das in 14 Tagen im Griff“

Zuerst gab es Mestinon. Dazu Imurek. Da Imurek lange braucht bis die Wirkung einsetzt, wurde Kortison gegeben. Dies war mit 80 mg/Tag ziemlich hoch dosiert. Leider hatte man vergessen, daß Kortison die weißen Blutplättchen verkleben kann und ein Gerinnungshemmer erforderlich ist. So bekam ich im linken Bein eine riesige Schwellung. Diese wurde als Wasser, das bei Kortison normal ist, abgetan.

Bis zum Eintritt der Wirkung des Imurek wurde ich nach Hause entlassen. Mit ausdrücklicher Zustimmung der Ärzte fuhren wir mit unserem WOMO nach Italien in Urlaub. (Das Auto wurde von meiner Frau gefahren). Dort mußte ich wegen einer Infektion ein Krankenhaus aufsuchen. Den Ärzten fiel mein dickes Bein auf. Auf Nachfrage erzählte ich diesen, daß dies Wasser wegen des Kortisons sei. Der Arzt ordnete sofort einen Beinvenendoppler an und stellte schwere Beinvenenthrombosen fest.

Nach unserer sofortigen Rückkehr stellte ich die Ärzte im Krankenhaus zur Rede und erhielt die Antwort: „Damit Sie zufrieden sind, machen wir eben einen Doppler“.

Als auch dieser die Schäden zeigte, wurde sofort mit Blutverdünnung begonnen und das Kortison abgesetzt (ausgeschlichen). Als ich das per Bauchspritzen verabreichte Medikament „Frauaxopragmin“ nicht vertrug, wurde ich als Simulant bezeichnet, (Fraxopragmin kann das nicht) und aus dem Krankenhaus entlassen.

Nach der ersten Bauchspritze zu Hause erlitt ich einen Allergieschock und mußte mit dem Notarzt in ein Krankenhaus verbracht werden. Dort steckte ich mich mit resistenten Lungenentzündungsbakterien an und so kam ich in das nächste Krankenhaus. Dort behandelte man mich wochenlang mit genau diesem Medikament, gegen den der Erreger resistent war. Somit natürlich erfolglos. Als man dann meinte, es wäre wohl Lungenkrebs und mich zu einer Bronchoskopie drängte, ging ich auf eigene Verantwortung nach Hause. Ein frei praktizierender Pneumologe ließ dann ein CT machen und stellte fest, daß der auf dem Röntgenbild gesehene „Rundherd“ ein Blutgefäß ist. Mit einem neuen Antibiotikum auf Cefa-Basis, welches auch ein Myastheniker haben darf, heilte er die Lungenentzündung binnen 8 Tagen aus.

Heute habe ich auf Grund der Myasthenie, der Beinvenenthrombose und anderer Leiden den Status: „Schwerbehindert GdB 100%, Mzchn: G, aG, B. (wobei G = Gehbehindert, aG = außergewöhnlich Gehbehindert und B = ständige Begleitung notwendig, bedeutet.)

Da ich nach dieser Odyssee wenig Vertauen in Ärzte setzen kann, habe ich mich auf allen möglichen Wegen über die Myasthenie schlau gemacht. Ebenso über die Medikamente und deren Wirkungen und Nebenwirkungen. Auf diesem Weg ist es mir gelungen, daß ich mein Leben in einigermaßen geordneten Bahnen verlaufen lassen kann. Natürlich kann ich keine langen Spaziergänge unternehmen oder stundenlang in Kinos oder Konzerten sitzen, aber immerhin kann ich bei durchdachter Dosierung von Mestinon und Azathioprin meine Muskulatur in einem Zustand halten, der es mir erlaubt, den Rollstuhl auf spätere Jahre zu verschieben.

Ich denke, daß alternative Mittel bei einer generalisierten Myasthenia nicht sinnvoll sind. Wesentlich sinnvoller erscheint mir ein positives Denken und eine positive Lebenseinstellung. Was ich nicht kann, das lasse ich und ersetze es durch etwas anderes, was ich kann. Außerdem scheue ich mich nicht, bei unausweichlichen Dingen die Hilfe aus dem Freundeskreis einzufordern und auch anzunehmen. Dafür mache ich dann etwas, was ich kann als Gegenleistung.

Als sehr hilfreich habe ich empfunden, daß ich in der Lage war, mein Keyboardspiel und meine Fähigkeit Texte zu schreiben intensivieren konnte. So habe ich heute die Möglichkeit, am Rechner Webseiten zu erstellen und meine Geschichten und Lieder im WWW zu veröffentlichen. Das HTML habe ich noch mit 66 Jahren gelernt.

Als Lebensziel habe ich mir gesetzt, mit meiner Frau, die mich aufopferungsvoll durch die schlechten Jahre begleitet hat, noch viele harmonische Jahre zu verbringen. Warum sollte man mit einer MG nicht 100 Jahre alt werden können???