Karin, Jahrgang 1970

Erfahrungsberichte: Myasthenia gravis

Ich weiß nicht genau wann die MG wirklich begonnen hat, das erste Mal bewusst habe ich Doppelbilder im Sommer 2002 wahrgenommen. Damals am Weg nach Italien war das so massiv, dass ich teilweise nicht wusste, auf welcher Fahrbahn ich unterwegs bin. Ich dachte mir aber nicht viel dabei, ich war ja doch schon 31 Jahre und das man mit diesem Alter (vor allem bei so viel Bildschirmarbeit) eventuell einmal eine Brille braucht war mir als Erklärung genug.

Im Oktober darauf konnte ich dann plötzlich während eines Telefonates meine Zunge nicht mehr koordinieren. Da das an einem Wochenende passierte, fuhr ich mit meinem Freund in die Uniklinik, wo mich der Neurologe ca. 10 min. untersuchte, mich fragte, ob ich viel Stress habe, was ich hatte, und mich mit der Bemerkung, dass das vermutl. eine somatoforme Erscheinung ist noch in die HNO-Ambulanz schickte, dort war auch alles OK und auch dort wurde ich darauf hingewiesen, dass so was vom vegetativen Nervensystem ausgelöst werden kann.

Da diese Sprachstörungen in den Tagen darauf immer häufiger kamen und immer länger blieben ging ich zur Internistin. Die machte Bluttests, ein ganz normales Kopfröntgen (wozu?) und schickte mich zum Augenarzt. Außer beim Augenarzt, wo ich eine Brille wg. Astigmatismus und ganz wenig Kurzsichtigkeit verpasst bekam, war alles in Ordnung (zumindestens für die Ärzte). Die Internistin fragte mich ebenfalls, ob ich viel Stress habe und meinte, dass ich ja noch eine junge Frau bin, mir ein bisschen mehr Ruhe gönnen sollte und dann wird alles wieder gut. Nach diesem Arztbesuch waren auch alle Symptome weg!!!

Im Dezember – ich arbeite im Büro und sowohl dort als auch zu Hause sehr viel am PC – schrieb ich gerade ein Angebot und plötzlich konnte ich den kleinen und den Ringfinger der rechten Hand nicht mehr so richtig bewegen. Blieb aber nicht lange und sonst war ja alles OK.

Bis Mitte Jänner, da verlor ich meinen Job und sofort gingen die Sprachstörungen wieder los. Damit war für mich klar, dass die Ärzte recht hatten und das eindeutig von einer psychischen Belastung ausgelöst wurde. Ich bemühte mich ruhig zu bleiben und es nutzte auch, die Symptome waren leicht und selten. Zumindestens vorerst, langsam aber doch wurde dann alles (Doppelbilder, Hände und v.a. die Sprache) immer schlimmer.

Im März 03, kurz nachdem ich einen neuen Job angefangen hatte, war`s dann schon so massiv, dass ich in der Früh manchmal nicht einmal meine Hose zuknöpfen oder meiner Tochter Zöpfe machen konnte. Da ging ich dann doch zu einer Neurologin (auf anraten meiner Internistin). Die meinte ich sei ein „Nervenbündel“, machte ein Kopf-MR (um MS auszuschließen) und einen Dopplerultraschall, was alles negativ war (klar!!!), verschrieb mir Anti-Depressivum und schickte mich zur Psychologin.

Dazu muß ich sagen, dass immer wenn ich bei einem Arzt war alle Symptome weg waren! Bei der Psychologin war ich dann genau 1x. Aber man kennt sich selbst doch am besten und so dachte ich mir, dass diese ganzen „Problemchen“ nicht von irgendeinem psychischen Stress ausgelöst werden konnten und obwohl ich natürlich schon sehr an mir gezweifelt habe, befürchtete ich mittlerweile schon einen anderen Hintergrund. Im Juni 03 fuhr ich dann mit meinem Freund und meiner Tochter nach Italien und dort war es der echte Horror. Ich konnte nicht schlucken, beim trinken kam alles gleich wieder aus der Nase und die Hände und die Sprache waren auch viel stärker betroffen als sonst. Einmal als ich meine Tochter die Stufen hinauftrug ließ jede Kraft überall komplett nach und ich stürzte von den Stufen und konnte mich kurz überhaupt nicht bewegen. Zu dieser Zeit, nahm ich das Anti-Depressivum und zusätzlich bei Bedarf auch noch Tranquilizer (!) und damit war mir dann sowieso „alles egal“ und außerdem war ich doch im Urlaub und da hat man/frau doch absolut keinen Stress. Womit sich die „Psycho-Theorie“ für mich wiederlegte.

Zurück zu Hause hatte ich gleich einen Termin bei meiner Neurologin und das erste Mal erlebte sie mich „live“ mit allen Symptomen die ich hatte. Ihr war´s sofort klar, sie schaute mich an und sprach gleich von „Myasthenia gravis“ (sie gab mir auch gleichzeitig mit der Überweisung zum Antikörpertest schon die Überweisung zur MR für den Thymus!). Am 15.7.03 bestätigte sich die Verdachtsdiagnose. Der Antikörpertest war positiv und der Tensilontest auch. Ich wurde auf Mestinon eingestellt (60mg 3-4x täglich) und war wie Neugeboren!!! Obwohl die Diagnose natürlich ein Schock war, war ich doch total erleichtert. Trotzdem mein Thymus lt. MR keine Veränderung zeigte, wurde ich dann am 1.10.03 thymektomiert. Ich hatte eine Riesenangst vor dieser OP, doch es lief alles ganz komplikationslos und so konnte ich bereits am 3.10. wieder nach Hause (!!!). Der Histologische Befund ergab eine „lymphofollikuläre Thymushyperplasie“, wie bei ca. 70% der MG-Betroffenen… ich (und natürlich meine Ärzte!) hatten also die richtige Entscheidung getroffen.

Jetzt geht’s mir mit dem Mestinon – außer wenn ich gerade einen Infekt ausbrüte, habe oder hatte, oder mich zu sehr „stresse“ – wirklich gut und demnächst werde ich auf Imurek eingestellt. Ich hoffe, dass ich mit der Immunsuppression genauso „normal“ bleibe wie ich mit dem Mestinon jetzt bin und werde euch dann weiterberichten.