Sabine, Jahrgang 1967

Erfahrungsberichte: Myasthenia gravis

Wie fing eigentlich alles an? Im Januar 2007 ging alles drunter und drüber. Im Büro Stress, dann kam noch der Sturm Kyrill und unser Bürodach wurde abgedeckt. In einer Nacht- und Nebelaktion mussten wir mit unserem Büro umziehen. Und dann sah ich doppelt! Zunächst habe ich mir nichts dabei gedacht, da es am nächsten Tag wieder in Ordnung war. Im Laufe des Nachmittages ging es aber wieder bergab mit meinen Augen. Nach ein paar Tagen habe ich dann meinen Optiker mal besucht, da ich dachte, vielleicht stimmen die Brillengläser nicht mehr. Der hat mich aber dann erst mal sofort zum Augenarzt geschickt. Damit begann eine Odyssee!

Der Augenarzt fand nichts. Er meinte nur: „Das verwächst sich wieder“ Aber es wurde immer schlimmer. Von allen Seiten bekam ich gute Ratschläge und irgendwie bekam ich immer mehr Angst. War es ein Schlaganfall? Ist es ein Tumor im Kopf? Aber Gott sei Dank konnte das alles ausgeschlossen werden. Mein damaliger Neurologe aber war ratlos. Er verschrieb mir einfach mal prophylaktisch Kortison – das hilft bestimmt! Aber es wurde dadurch noch schlimmer (die vorkommende Erstverschlimmerung). Auch auf Anraten der Augenklinik in Dortmund habe ich mich dann in die Neurologie des Klinikum Dortmund einweisen lassen für eine Lumbalpunktion. Die sollte Aufschluss geben. Dank des vielen Hinterfragens des dortigen Oberarztes stand dann bereits nach zwei Tagen die Diagnose – ca. sechs Wochen nach den ersten Symptomen. Myasthenie also!

Nach meinen ersten Recherchen im Internet war ich total niedergeschlagen. Immer „Hans Dampf in allen Gassen“, immer sportlich sehr aktiv, war das eine Diagnose, mit der ich mich so gar nicht anfreunden konnte und wollte. Die nächsten Wochen waren dann sehr angespannt und als nach den Doppelbildern auch noch Ausfälle an Zunge und Kinn hinzukamen, war ich total am Ende. Im Mai bekam ich dann noch Atemprobleme. Mestinon allein half also leider nicht ausreichend. Durch die DMG und die Leiterin der für mich zuständigen Regionalgruppe in Bochum/Dortmund, Frau Frahne, erhielt ich die Information, dass im Klinikum Lüdenscheid Herr Dr. Schimrigk als Chefarzt tätig sei. Er habe mit Myasthenie-Patienten sehr viel Erfahrung und könne mir bestimmt helfen. Aufgrund meiner immer mehr zunehmenden Atemprobleme setzte ich mich mit diesem in Verbindung und war nach ein paar Tagen stationär im Klinikum Lüdenscheid aufgenommen. Nach ausführlichen Gesprächen begannen wir die Therapie mit Azathioprin sowie als „Soforthilfe“ eine kurze Kortisonkur. Nach einigen Tagen – mit anfänglicher Verschlechterung – ging es mir dann besser und wir besprachen, ob eine Thymektomie für mich in Frage käme. Kam sie!

Herr Dr. Schimrigk setzte sich mit Herrn Prof. Dr. Gellert im Sanaklinikum Lichtenberg in Verbindung und ich vereinbarte einen Termin für die thorakoskopische Thymektomie für September in Berlin-Lichtenberg.

Angst hatte ich ja schon, aber nachdem ich den Termin vereinbart hatte und man mir versicherte, sonntags könne ich kommen, dienstags würde ich operiert und samstags könne ich wieder nach Hause, dachte ich mir: „Das kann ja alles nicht so schlimm werden!“ Und so war es auch. Die OP und die zwei Tage danach waren zwar nicht so angenehm, aber samstags konnten mein Mann und ich den Heimweg antreten. Die Betreuung dort war klasse! Alles war total routiniert und ich fühlte mich dort wirklich sehr gut aufgehoben.

Im Anschluss an meine OP folgte eine vierwöchige Kur.

Seit dem 16. September 2007 bin ich wieder zu Hause und ein paar Tage später fing ich wieder an zu arbeiten. Was soll ich sagen: „Mir geht es gut!“ Von Woche zu Woche hatte ich das Gefühl, dass es mir besser ging. Liegt es am Azathioprin, dass bis zu sechs Monaten braucht um richtig zu wirken, oder war die OP ein Erfolg? Ich weiss es nicht und es ist für mich im Moment auch nicht so wichtig! Wichtig ist, dass es mir gut geht. Das Mestinon konnte ich schon reduzieren und ich habe kaum noch Ausfälle an Zunge und Kinn – meist wenn ich mich körperlich sehr anstrenge. Meine Doppelbilder sind mir – bis auf die Zeit nach dem Kortison im Mai – leider erhalten geblieben. Morgens habe ich zunächst keine, da ich aber beruflich mit einem PC arbeite, machen meine Augen meist mittags schlapp. Damit habe ich mich abgefunden, da ich dann meine Prismenbrille aufsetze und damit wieder „einfach“ sehe.

Ein Jahr lebe ich nun mit „meiner“ Myasthenie und was hatte ich anfangs für eine Angst vor ihr! Jetzt hoffe ich, dass alles so bleibt wie es ist oder vielleicht sogar noch besser wird. Vielleicht brauche ich ja irgendwann sogar meine Prismenbrille nicht mehr. Das wäre natürlich toll.

Ein großer Sicherheitsfaktor war und ist für mich, dass die Ärzte, die mich betreuen, mir immer das Gefühl gegeben haben und geben, dass sie jederzeit für mich Ansprechpartner sind. So etwas kann unglaublich beruhigen.

Mit meinem Bericht möchte ich allen Mut machen, die an Myasthenie erkrankt sind. Ich weiss, dass ich ganz großes Glück hatte, da meine Erkrankung erstens so schnell erkannt wurde und zweitens sich meine Symptome derzeit „nur“ auf Augen und Gesicht beschränken. Ich hoffe, dass das auch so bleibt!

Viele Grüße

Sabine