Tag: Atemprobleme

Daniela, Jahrgang 1975

Im Jahr 1989 (ich war 14 Jahre alt) haben meine Eltern und ich einen Urlaub in den Bergen gemacht. Als wir eine Bergtour machten war beim Aufstieg alles in Ordnung, aber als wir oben ankamen, merkte ich schon, dass ich ziemlich schlapp bin, was sonst nie der Fall war. Als wir uns dann auf den Rückweg machen wollten, spürte ich nach ein paar Metern meine Beine nicht mehr, ich konnte kaum mehr Laufen, hatte überhaupt keine Kraft mehr in den Beinen, sah alles doppelt und war extrem müde und kaputt. Mein Vater musste mich den Berg runtertragen … Wir waren natürlich sehr verwirrt und wir konnten uns das alles nicht erklären. Ich war eigentlich ein sehr sportlicher Mensch. Zu dem Zeitpunkt war ich bei uns im Ort im Sportverein, war aktiv in der Karateabteilung, spielte Tennis, fuhr viel Fahrrad und im Winter war ich begeisterte Skifahrerin. Ab und an hatte ich abends beim Fernsehen Doppelbilder bemerkt, hab es aber auf eine ganz normale Überanstrengung der Augen geschoben und mir nichts weiter dabei gedacht. Schwäche in Armen oder Beinen hatte ich vorher noch nie.

Wir fuhren daher am selben Tag noch nach Hause und suchten unseren Hausarzt auf, der uns sofort zum Neurologen überwies. Und diesem Mann bin ich heute noch dankbar … denn von ihm hab ich sofort nach der ersten ausführlichen Untersuchung die Verdachtsdiagnose „Myasthenie“ gestellt bekommen.

Er hat uns sofort weitergeschickt zu einem Spezialisten in Würzburg (jetzt in Regensburg am BKH, Prof. Dr. med. B. Schalke), den wir auch eine Woche später aufsuchten.

Dort wurde ich gründlich untersucht, verschiedene Tests, Blutabnahme, CT … und die Diagnose stand fest: Myasthenia gravis pseudoparalytika.

Prof. Schalke überwies mich sofort nach München in die Martha-Maria-Klinik (Spezialisten für Schilddrüsen-OP), wo ich dann thymektomiert wurde. Anschließend wurde ich mit Mestinon 60mg (3×1) eingestellt. Zur Nachbehandlung ging ich wieder zu meinem Neurologen am Heimatort und 2xjährlich stellte ich mich bei Prof. Schalke vor.

… Allem Anschein nach ging es mir ganz gut … machte sogar im Schulsport mit – soweit es mir möglich war … fuhr wieder Fahrrad und war im Großen und Ganzen sehr aktiv.

Doch eigentlich ging es mir gar nicht gut … wir hatten weder psychologische Betreuung, noch konnte ich mich mit „Leidensgenossen“ austauschen … meine Eltern taten das alles als „erledigt“ ab, die OP war ja überstanden, mir ging es dem äußeren Anschein nach gut und ich nahm regelmäßig meine Medikamente.

Wir wurden damals einfach zu wenig aufgeklärt, was diese Krankheit wirklich bedeutet, dass sie mich ein Leben lang begleitet, dass man sich arrangieren muss mit ihr und sein Leben nicht einfach mehr so leben kann, sondern sein Leben mit der Krankheit leben muss.

Zurückblickend habe ich die MG einfach verdrängt und so getan als wär ich gesund und was mir damals sehr wichtig war, als wär ich so wie alle anderen und nicht „anders“ …

Ich machte wieder regelmäßig Sport (Skifahren, Karate, Schwimmen. Radtouren, Inliner), aber alles nicht „normal“, sondern immer extrem, bis ich im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr konnte …

Wenn ich dann mal vorzeitig aufgeben musste, war ich enttäuscht von mir und wütend, weil ich nicht so konnte wie die anderen … Freunde oder Bekannte verstanden es auch nicht, denn man sieht ja äußerlich nichts und ich hatte es satt, mich ständig erklären zu müssen, was mir damals sowieso sehr schwer fiel, da ich es ja selber nicht verstand, nicht verstehen wollte und auch nie wirklich jemanden an meiner Seite hatte, den es wirklich interessiert, was dahintersteckt ….

… Das alles ging lange gut, aber irgendwann war es dann zuviel … Ich habe mein Mestinon auch immer selbständig umdosiert, je nach Bedarf … Pubertät und Erwachsenwerden trugen dann das ihre dazu bei … vor allem psychischer Stress verschlechterte das Krankheitsbild und dann tat ich wieder alles „gerade extra“, weil ich ja nicht anders sein wollte, weil ich nicht akzeptierte, dass ich krank war … Meine beruflichen Träume (Studium, Auslandsaufenthalt, u.ä.) mussten einer Ausbildung zur Arzthelferin weichen, da ich Angst davor hatte, zu scheitern, weil ich nicht so bin wie die anderen und genauso wollte ich aber immer sein … Beziehungen scheiterten, weil ich entweder verheimlichte, was mit mir los war oder die MG zu sehr in den Mittelpunkt stellte…

… Es kam dann eine ganz schwierige Zeit, in der ich sehr viel Party machte, zuviel Alkohol trank, meine Medikamente absetzte und den Ärzten immer erzählte, dass es mir „super“ geht … Ständig überforderte ich meinen Körper – sowohl psychisch als auch physisch – ich wollte immer mehr … Ruhe und Pausen kannte ich nicht. Ich hatte nur noch Doppelbilder, starke Probleme mit der HWS und große Schwierigkeiten mit der Feinmototorik, beim Schlucken und beim Atmen …

… Erst 2008 machte es auf einmal „Klick“ bei mir und ich sagte zu mir: „Wenn ich so weitermache, werde ich wohl nicht mehr viel haben von meinem Leben“… ich war dabei meine sozialen Kontakte zu verlieren, weil ich mich nur noch zu Hause einigelte, ich trank regelmäßig Alkohol und wollte absolut nicht auf meinen Körper hören oder ihm mal was Gutes tun, sondern war regelrecht dabei, ihn immer mehr kaputt zu machen, ja ich würde heute sagen, ich hab versucht mich selbst zu zerstören und damit auch die MG.

Kurz vor meinem 33. Geburtstag begab ich mich in psychologische Behandlung und machte freiwillig eine stationäre Therapie. Und ich kann nur sagen, dass es das Beste war, was ich bis dahin in meinem Leben gemacht hatte. Nach 10 Wochen ging ich „als neuer Mensch“ nach Hause …

… Ich hatte endlich verstanden, worauf es ankommt und hatte endlich gelernt, mich selbst so zu akzeptieren wie ich bin.

Und das allerbeste war, auf dieser Reha lernte ich auch meinen jetzigen Mann kennen, den ich im Mai diesen Jahres heiraten durfte und mit dem ich im August diesen Jahres das größte Glück, was man als Frau erfahren darf, erleben durfte: unser Sohn Yannis wurde geboren.

Während der Schwangerschaft hatte ich überhaupt keine Probleme mit der MG und die Geburt war ebenso komplikationslos. Yannis wurde drei Tage auf der Intensivstation überwacht wegen der Antikörper-Ünertragung, aber er zeigte keine MG-Zeichen und ist putzmunter, wächst und gedeiht … Die Wochen nach der Geburt verschlechterte sich die MG wieder ein wenig, aber da mein Mann die ersten acht Wochen in Elternzeit war, konnte ich mich gut erholen und jetzt bin ich wieder topfit und habe trotz Baby, schlaflosen Nächten und Stillen keine wesentlichen Beschwerden im Bezug auf die MG. Also an alle Frauen mit MG: geht das Wagnis ein !! Man wird nur belohnt

… Ich habe gelernt mich mit der MG zu arrangieren. Ich bin seit 2008 medikamentenfrei. Ich habe die Krankheit akzeptiert und lebe mit ihr. Und ich war noch nie so glücklich wie seit dem Tag, an dem ich mich entschieden habe, Hilfe anzunehmen. Ich versuche mein Leben so stressfrei wie möglich zu gestalten, was mit dem Kleinen oft etwas schwierig ist, aber ich habe für mich gelernt, dass vor allem psychischer Stress mein Krankheitsbild erheblich verschlechtert.

Aber trotz mancher schlechter Tage ging es mir noch nie so gut wie zur Zeit … ich hoffe, dass das noch lange so bleibt … und ich weiß, dass man alles schaffen kann … man muss es nur von ganzem Herzen wollen. Ich hoffe, dass ich mit meinem Erfahrungsbericht so manchem Betroffenem, dem es nicht so gut geht, Mut machen kann … ich habe wirklich schreckliche Jahre hinter mir … aber dadurch, dass ich nie aufgegeben habe an mich selbst zu glauben, darf ich jetzt eine so wunderbare Zeit geniessen … man weiss nie was morgen ist … darum mein Lebensmotto: „Carpe diem – Nutze den Tag“. Liebe Grüße D.