Ulrich, Jahrgang 1965

Erfahrungsberichte: Myasthenia gravis, Thymektomie

Ich möchte bloß einen kleinen „Vorab“-Erlebnisbericht geben, denn die Thymektomie habe ich noch vor mir. Ist ein doofes Gefühl, wenn man sich eigentlich völlig gesund fühlt…

Ich hatte vor einem Jahr (Nov. 2003) starke Augenbeschwerden (keine „schweren Lider“, aber dafür starke Schmerzattacken in den Morgenstunden – bald konnte ich auf dem einen Auge schlecht sehen, weil die Hornhaut angegriffen war). Wochenlang war ich in der Augenklinik der Charite (Berlin) in Behandlung. Man gab (vielleicht auch zu Recht) einem Gerstenkorn im Innern des Augenlides die Schuld an meinen Beschwerden. Plötzlich bekam ich leichte Sprachstörungen. Ich dachte, die ständige Einnahme der Augentropfen sein Schuld, was aber von allen Ärzten ausgeschlossen wurde.

Das Gerstenkorn im Augenlid wurde operativ entfernt, danach waren die Augenbeschwerden weg. Bloß mit meiner Stimme stimmte etwas nicht, sie näselte eigenartig. Ein Abstrich bei der HNO-Ärztin stellte Keime fest. Ich bekam ein spezielles Antibiotikum, alles war wieder i.O.

Im Juni 2004 war mein Gesundheitszustand etwas angegriffen: genervt, weil neuen Job verloren, genervt aus privatem Grund, mit Angina im Bett. Plötzlich traten die Sprachstörungen wieder leicht auf. Wenn ich mehrere Minuten hintereinander sprach (z.B. am Telefon), bekam ich Artikulationsproble me, die Stimme war verwaschen und näselnd, Sprechen fällt mir schwer, insbesondere, wenn ich schneller spreche, die Atmung „jappst“, ich bekomme kaum ein klares Wort raus. Das ist nach einer kurzen Pause aber schnell behoben.

Die HNO-Ärztin kann mit Lutschtabletten, Anti-Bronchitis-Tabletten und auch nicht mit dem Antibiotikum von damals weiter helfen. Sie überwies mich zu einem HNO-Spezialisten für Sprachuntersuchunge n. Ergebnis: „Sowas habe ich noch nie gehört.“ Er überwies mich zur Neurologin. Ergebnis: „Sowas habe ich noch nie gehört.“ Sie überwies mich in die Neurologische Klinik der Charite. Elektromyographie, Tensolin-Test und die Antikörperbestimmung deuten nun auf die Myasthenie gravis hin.

Gestern (23.11.04) war ich in der Charite beim Oberarzt in der Neurologie zur Besprechung. Natürlich habe ich gehofft, man könnte das Problem medikamentös lösen. Und wenn ich hier was von „2 Tage Intensivstation“ lese, wird mir schon ganz schlecht. Aber es ist sicher falsch, an den Symptomen herumzudoktern, ohne die Ursache zu beheben. Und je früher man die OP macht, desto besser ist wohl die Heilungschance. Darum werde ich die Thymektomie (endoskopische Variante) wohl so bald wie möglich machen lassen. 🙁

Update: Die Thymektomie

Am Sonntag, den 9.1.05, sollte ich mich abends in der Charite in Berlin auf der Station einfinden, nachdem ich bereits am 7.1.05 fast einen ganzen Tag dort zur Aufnahme und für diverse Voruntersuchungen verbracht habe.

Am Vormittag des 10.1.05 (Montag) war dann die Thymektomie angesetzt. Ob endoskopisch oder nicht, stand nie richtig zur Debatte, da die Thorax-Chirurgie der Charite spezialisiert auf die endoskopische Variante ist und zudem die Operation „roboter-unterstützt“ vollzogen wird. Das hat mir der Oberarzt Dr. Rückert vorher bereits ausführlich am Telefon erläutert. Gut, dass ich vorher nicht wusste, dass der ganze Akt 5 Stunden dauern sollte. Sonst hätte ich mir wohl noch mehr Sorgen gemacht. So wachte ich dann am Nachmittag auf der Intensivstation auf und fühlte mich eigentlich nicht schlecht. Es gab keine Komplikationen und Schmerzen hatte ich auch keine. Bei Bedarf hätte ich mir auch noch auf Knopfdruck Schmerzmittel zuführen können. Allein diese doofe Lungen-Dränage machte mir Kummer, denn ich brauchte mich bloß aufzurichten, dann drückte es im Oberkörper, dass mir fast die Luft wegblieb – und das änderte sich leider auch die nächsten Tage nicht.

Am nächsten Nachmittag wurde ich bereits auf die Station gefahren. Die Wirkung der Gute-Laune-Drogen hatte zwar nachgelassen, aber ernsthafte Schmerzen hatte ich trotzdem nicht.

Am Mittwoch ging es mir schlechter, da ich Migräne hatte und nicht wusste, ob ich zusätzlich meine Migränetabletten nehmen darf. Ich durfte, und von nun an ging es steil bergauf. Der Donnerstag war schon sehr vom „Wann werde ich denn die Dränage los?“-Kampf geprägt, denn leider kam immer noch zu viel Flüssigkeit hinein. Und diese Thrombose-Strümpfe juckten furchtbar auf der Haut. Als ich Freitag früh weder von der Dränage noch von den Strümpfen befreit wurde, ging ich fast ständig im Krankenhaus umher. Nachmittags kam dann der Oberarzt Dr. Rückert, sprach lange mit mir, zog die Dränage raus, die Strümpfe durfte ich auch ausziehen „und wenn die Röntgenbilder heute in Ordnung sind, können Sie morgen nach Hause gehen“. So war es.

Mein Charite-Fazit lautet: Wie überall gibt es beim Pflegepersonal nette und weniger nette, kompetente und weniger kompetente Angestellte. Dasselbe gilt für die Ärzte. Aber Dr. Rückert ist m.E. ein Genie, v.a. in menschlicher Hinsicht. Bereits am Untersuchungstag hörte ich von mehreren Seiten des Personals: „Dr. Rückert operiert sie? Da sind Sie in allerbesten Händen. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich mich auch von ihm operieren lassen.“ Heute weiß ich, warum.

Der wichtigste Tipp: Immer versuchen, den Überblick zu behalten, was wann wieso noch gemacht werden soll. Im Krankenhaus weiß nämlich die linke Hand fast nie, was die rechte macht. Und wie geht es mir heute, am 06.05.05? Zuerst versuchte ich es nach der OP weiter ohne Medikamente, da meine Sprachprobleme weniger wurden. Doch bald war wieder fast der Zustand wie vor der OP erreicht. Jetzt wurde es Zeit für Mestinon 60. 2 Wochen 3 Dragees pro Tag probiert, nur unwesentliche Besserung. Erhöhung auf 5 Dragees am Tag, und seitdem ist alles fast in Ordnung. Selbst bei längeren Telefonaten spüre ich kaum noch eine Beeinträchtigung. Vorträge kann ich zwar noch nicht halten, aber ich denke, das wird auch bald wieder.