Ute, Jahrgang 1961

Erfahrungsberichte: Myasthenia gravis

Hallo! Ich heiße Ute und bin 47 Jahre alt. Meine Myasthenia gravis pseudoparalytica brach mit 18 Jahren aus. Ich war gerade von einem Schüleraustauschjahr aus den U.S.A. zurückgekehrt, als ich plötzlich nicht mehr laufen konnte. Ich bekam eine Becken-Myasthenie. Die Muskelschwäche machte sich aber auch in den Augen mit Doppelbildern, in den Fingern und beim Sprechen bemerkbar.

Die Muskelschwäche in den Beinen war schlimm. Ich fiel ständig hin, musste mich an den Treppengeländern hinauf ziehen und stand wie ein Ochs vorm Berg vor einer Bordsteinkante. Ich kaufte mir ein Fahrrad mit einer differenzierten Gangschaltung, was aber auch nicht ungefährlich war, weil ich an den Ampeln nur schwer halten und wieder aufsteigen konnte und anstatt abzusteigen meistens hinfiel. Die Reaktionen meiner Umwelt reichten von: „Die ist ja betrunken“ bis „Die simuliert nur“.

Nach dem Abitur begann ich mein Studium in Marburg. Nachdem ich bereits eine Ärzte-Odyssee hinter mir hatte, nahm sich ein Team in der Uni-Klinik meiner an und stellte die erhellende Diagnose. Meine Thymus-Drüse wurde entfernt.

Dann wechselte ich an die Uni nach Hamburg. Dort wurde ich zunächst mit Imurek behandelt, das ich aufgrund der möglichen Nebenwirkungen absetzte. Ich reiste nach Afrika. Nach vier Wochen in Nigeria fühlte ich mich wie ausgewechselt. Mein Zustand besserte sich. Ich begann, Yoga zu machen. Immer noch fuhr ich Fahrrad und ging viel schwimmen. Ich schloss mein Studium nach einen Auslandsjahr in London als Magister Artium in Orientalistik ab.

Ich denke heute, dass ich es meiner kontinuierlichen Aktivität trotz dieser Krankheit zu verdanken habe, dass ich eine gute Muskulatur bekommen habe. Letztlich liegt die Problematik der Myasthenie ja an der fehlerhaften Nevenleitung. Die Störung der Nervenübertragung durch Antikörper hat sich durch die Thymektomie nach und nach gelegt.

Ich bezog in Hamburg sogar eine Dachgeschoss-Wohnung im Altbau ohne Fahrstuhl. Lange Wege zum Einkauf und Stadtbummel bereiten mir keine Probleme mehr. Gelegentlich spüre ich meine Einschränkungen noch, aber sie sind nicht nennenswert. Es macht ja nichts, dass ich nicht joggen kann. Dann lasse ich das eben.

Erst als ich mit 40 die Myasthenie offenbar überwunden hab, entfaltete ich mich zum Party-animal und ging viel tanzen. Ich fing an mit Fitness-Training. Leider wurde ich nie so richtig sportlich und habe ganz schön ein paar Kilos zuviel. Ich hab nie gedacht, dass ich einmal so viel Lebensfreude entwickeln würde.

Ich habe nie andere Menschen kennen gelernt, die an dieser seltenen Krankheit leiden. Ich erinnere mich nur daran, wie verzweifelt ich gewesen bin. Deshalb finde ich dieses Forum klasse und stelle meine Geschichte zum Austausch ein. Going strong!