Details der Symptome

Die Myasthenie kann sich an sehr vielen Muskeln bemerkbar machen. Oftmals sind es die kleinen, feinen Muskeln; die, von denen gesunde Menschen gar nicht merken, das sie sie überhaupt brauchen. Grundsatzlich können alle Muskeln betroffen sein, die man bewußt bewegen kann – die sogenannte willkürliche oder quergestreifte Muskulatur. Nicht betroffen ist die sog. glatte Muskulatur, die nur über das vegetative Nervensystem bewegt wird – das sind zum Beispiel die Muskeln von Magen und Darm. Und auch der Herzmuskel wird nicht durch die MG beeintrachtig (der ist zwar quergestreift, aber stellt eine besondere Form der quergestreiften Muskeln dar und kann nicht bewußt bewegt werden).

Selbstverstandlich hat nicht jeder Myastheniker alle in der folgenden Liste aufgeführten Symptome – es gibt zum Glück viele Betroffene, die nur wenige und geringfügige Einschränkungen haben. Selbst Schwerstbetroffene müssen nicht alle Symptome haben. Und wenn jemand z.B. Probleme beim Sprechen hat, bedeutet das noch lange nicht, das dann auch alle beim Sprechen möglichen Probleme auftreten. Und auch die klassischen Symptome wie Doppelbilder und Ptose treten langst nicht bei jedem MGler auf. Selbstverstandlich können einige der genannten Symptome auch bei gesunden Menschen bei Müdigkeit und Erschöpfung auftreten – bei Myasthenikern treten sie aber auffallig gehauft und stark ausgepragt auf.

Ich habe diese Liste zusammengestellt, weil ich selbst bei manchen meiner Probleme erst nach langen Jahren erkannt habe, das sie mit der MG zusammenhangen, und weil ich hoffe, damit das Bild von der MG noch ein wenig abzurunden. Lasst Euch von dieser Liste also nicht erschrecken, sondern lest sie mit Staunen darüber, wie unterschiedlich die MG aussehen kann!

allgemeine Symptome

Müdigkeit, erhöhtes Schlafbedürfnis, benötigt viele Ruhepausen, allgemeine Mattigkeit, Antriebsschwache, niedriger Muskeltonus, Abbau von Muskelsubstanz.

Schwierigkeiten, die richtigen Wörter zu finden, gehaufte Verwechselung von rechts und links, Denken ist schwieriger (diese Probleme sind vermutlich der allgemeinen Müdigkeit zuzuschreiben – wie bei gesunden Menschen auch sind die kognitiven Fahigkeiten eingeschrankt, wenn man müde ist).

Muskelzittern- und -schmerzen können gelegentlich unter Belastung auftreten und deuten auf eine Überlastung der Muskeln hin (kann schon bei ganz banalen Tatigkeiten auftreten, weil die Muskeln eben nicht mehr korrekt arbeiten).

okulare Symptome

Ptose – hangende Lider
Augenlider, die sich nicht mehr ganz öffnen lassen. Kann einseitig oder beidseitig auftreten. Bandbreite vom fast unmerklichen Hangen bis zum fast kompletten Lidschluß. Kompensation durch nach-hinten-neigen des Kopfes und Hochziehen der Augenbrauen.

Mangelnder Lidschluß
entsteht durch eine Schwache des Unterlides, Augen lassen sich nicht mehr vollstandig schließen. Oft kombiniert mit einem Reflex, der die Augapfel beim Schließen der Augen nach oben kippen lasst.

Doppelbilder
entstehen durch eine Schwache der Augenmuskeln. Die Augapfel werden durch jeweils sechs Muskeln bewegt, wobei beide Augapfel miteinander synchronisiert werden müssen – Gelegenheit genug für Pannen!

Unsteter Blick (blödes Wort – mir ist nichts anderes eingefallen)
Schwierigkeiten, die Blickrichtung langer zu halten.

Unscharfes Sehen
das Einstellen des Auges auf Nah oder Fern geschieht ebenfalls durch Muskeln, die in diesem Fall auf die Linse wirken und deren Krümmung verandern. Dabei ist für das Sehen im sehr nahen, wie auch im fernen Bereich eine Spannung der entsprechenden Muskeln notwendig. Der Ruhezustand dieser Muskeln entspricht einer Seh-Entfernung von ca. 0,5 bis 2 Metern. Bei einer Störung der Muskeln kann es zu einer Zeitverzögerung beim Blick von Nah zu Fern kommen und zu standigen Problemen mit dem scharfen Sehen. Eine Brille kann evtl. helfen, aber die nötige Glasstarke kann sich sehr oft andern.

bulbäre Symptome

Sprechen
Entweichen der Luft durch die Nase, „Naseln“, die gewohnte Einteilung der Atemluft beim Sprechen passt nicht mehr. Klossiges Gefühl beim Sprechen „wie kurz vor Heulen“. Lallen. Sprechen wird leiser, undeutlicher und verwaschen, weniger ausdrucksstarke Betonung, Zunge schwerfallig. Schwache Lippen können das Formen der Worte auch beeintrachtigen. Heiserkeit.

Singen
Schwierigkeiten, den Ton zu treffen und zu halten, Ausdrucksstarke und Modulationsfahigkeit der Stimme laßt nach, Tonspektrum ist eingeschrankt.

Mimik
wegrutschendes Lacheln (Mundwinkel lassen sich nicht mehr zuverlassig anheben), verzerrtes Gesicht beim Lachen, kann bis zum völlig unbewegten Gesichtsausdruck gehen („Facies myopathica“), MGler sieht unabhangig von der wirklichen Stimmung müde, arrogant oder traurig aus.

Lippen
können nicht mehr zuverlassig geschlossen werden (z.B. zum Spülen nach dem Zahneputzen), lassen sich zum Pfeifen nicht mehr richtig spitzen, weniger beweglich beim Küssen, Löffel und Gabel können nicht mehr „abgewischt“ werden, Einschränkungen beim Sprechen, Wangen können nicht mehr aufgeblasen werden, Speichel lauft aus dem Mund.

Zunge
haufiges auf-die-Zunge-Beißen, Speisen können im Mund nur noch unzureichend zum Rachen transportiert werden, Entfernen von Speiseresten zwischen Zahnen und Wangenwand schwierig, Einschränkungen beim Sprechen.

Pfeifen
Töne werden nicht mehr sauber getroffen, Spitzen der Lippen nicht möglich, Luft entweicht durch die Nase.

Kauen
feste oder auch weichere Nahrungsmittel können nicht vollstandig gekaut werden, Beißen auf Zunge oder Wangen.

Schlucken
Speisen bleiben in der Speiseröhre stecken (kann unangenehm bis schmerzhaft sein), Verschlucken, Würgen, Rauspern nach dem Essen, beim Aufstoßen kommen Speiseanteile mit, Getranke/Speisen geraten beim Schlucken in die Nase.

Atmen
Atmen ist ungewohnt anstrengend oder mühsam, Kurzatmigkeit, Atmen im Liegen schwerer als in aufrechter Position, Hustenstoß ohne Kraft.

Hören
schlechteres Hören, verstärkte Geräuschempfindlichkeit

generalisierte Symptome

Kopf/Nacken
Kopf kann nicht gut aufrecht gehalten werden, Abstützen mit der Hand oder Anlehnen notwenig. Kopf kann in Rückenlage nicht hochgehoben oder -gehalten werden.

Schultern/Arme
Arbeiten über Kopf schwierig bis unmöglich (Haare waschen, föhnen, bürsten, Wasche aufhangen etc.), Schalten im Auto schwierig (5. Gang!), Tragen von Gegenstanden unzuverlassig, Öffnen und Schließen schwerer Türen nur mit Ganzkörpereinsatz möglich

Hande
Finger können nicht mehr einzeln angehoben werden, Halten von Gegenstanden unsicher, haufiges Fallenlassen, Gegenstande können nicht gehoben werden, Handschrift wird krakelig, Strecken der Finger erschwert, Feinmotorik ist eingeschrankt, alltagliche Fingerarbeiten sind erschwert oder unmöglich (z.B. beim Hantieren mit Küchenmesser und Sparschaler, Zigarettendrehen, Tippen, Handarbeiten, Dosenöffnen, Brotschmieren, Lenkrad sicher umfassen, Schlüssel umdrehen, Glaser öffnen, Portemonnaie aus der engen Hosentasche ziehen… und es ist beeindruckend, wie viele MGler-sichere Verschlüsse es gibt, die gesunde Kinder mit Leichtigkeit bewaltigen!)

Beine
Schwierigkeiten beim Treppensteigen und bei Steigungen (aufwarts ebenso wie abwarts), unsicherer Gang, Schlurfen, Stolpern, langeres Laufen nicht möglich, in schweren Fallen kann ein Rollstuhl nötig sein (vorzugsweise mit Elektroantrieb, da dann meist auch die Kraft in Armen und Handen nicht mehr ausreicht, um den Rollstuhl sicher zu bewegen). Unterstützung durch die Arme notwendig beim Aufstehen aus dem Sitzen, haufiges Stürze ohne außere Anlasse.

Rumpfmuskulatur
schlechte Körperhaltung, zusammengesunkenes Sitzen

Schließmuskel
auch wenn viele Ärztedas Gegenteil behaupten – Harninkontinenz tritt bei vielen MGlern auf. Entweder als besondere Dringlichkeit, sobald man „muß“, oder aber indem man beim Husten, Bücken etc. Urin verliert.