mehr zu Immunsuppressiva

Zur langfristigen Dämpfung des Immunsystems werden verschiedene Medikamente eingesetzt. Ihnen ist gemeinsam, das sie ursprünglich für die Behandlung von Transplantationspatienten entwickelt wurden – wer ein neues Organ bekommt, ist dringend darauf angewiesen, das dieses nicht durch das eigene Immunsystem abgestoßen wird. Bei Autoimmunerkrankungen nutzt man denselben Effekt, allerdings werden die Medikamente in der Regel in geringerer Dosis eingesetzt.

Da bei Myasthenikern Immunsuppressiva im Prinzip nur so weit dosiert werden, dass damit die oberste, überaktive Spitze des Immunsystems gebremst wird, lebt es sich mit diesen Medikamenten meistens recht normal. Natürlich sollte man Infekte vermeiden, aber dafür reicht für gewöhnlich eine ordentliche Portion gesunder Menschenverstand aus. Lediglich bei Impfungen sollte bedacht werden, das der Körper möglicherweise nur „halbherzig“ auf den Impfstoff reagieren kann und der Impfschutz dann nicht ausreichend ist. Impfungen mit Lebendimpfstoffen sollten grundsätzlich vermieden werden!

Während der Behandlung mit Immunsuppressiva ist das Risiko für Hautkrebs etwas erhöht, deswegen ist ein vernünftiger Umgang mit UV-Strahlung und Sonnenlicht ratsam.

Azathioprin
Mycophenolatmofetil
Cyclosporin A
Cyclophosphamid
Methotrexat
Rituximab
Tacrolimus

Azathioprin » Imurek, Zytrim und andere

Imurek ist das am häufigsten verwendete Immunsuppressivum bei Myasthenia gravis und wird schon seit Ende der 60ger Jahre eingesetzt. Es hat sich als gut verträglich auch bei langjähriger Anwendung gezeigt und ist in den meisten Fällen sehr gut wirksam. Die Dosis richtet sich nach dem Körpergewicht.

Um mögliche Nebenwirkungen frühzeitig zu bemerken, sollte das Blutbild regelmäßig – anfangs wöchentlich, später monatlich – kontrolliert werden. Um eine Überempfindlichkeit (die gelegentlich vorkommen kann) rechtzeitig zu bemerken, wird das Medikament zu Anfang erst in geringen Mengen genommen, die Dosis wird dann innerhalb einiger Tage bis Wochen auf die erforderliche Menge erhöht.

Als durchaus erwünschte Nebenwirkung sollte sich die Zahl der weißen Blutkörperchen (Leukozythen) verringern. Die Zahl der Lymphozythen (eine bestimmte Unterart der weißen Blutkörperchen, zu denen auch die MG-typischen Antikörper gehören) sollte sich bei etwa 800-1000/µl einpendeln, denn Azathioprin hemmt die Vermehrung und Aktivierung der Lymphozyten. Die Zahl der weißen Blutkörperchen sollte sich insgesamtbei etwa 3500-4000/µl bewegen, dürfen aber nicht unter 3000/µl sinken.

Die Tabletten sollten nach einer Mahlzeit eingenommen werden, so lassen sich Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall in der Regel vermeiden. Der Hersteller rät dazu, die Tabletten nicht zu teilen (es stehen neben 50mg auch Tabletten zu 25mg zur Verfügung, so dass eine Teilung eigentlich nicht notwendig werden sollte).

Azathioprin wird nach Umwandlung im Körper hauptsächlich über den Urin wieder ausgeschieden. Wer gleichzeitig das Gichtmittel Allopurinol einnimmt, muß die Dosis von Azathioprin deutlich reduzieren, da Allopurinol die Ausscheidung von Azathioprin erheblich verlangsamt!

Obwohl Beobachtungen bei transplantierten Patientinnen bisher keinen Hinweis auf eine erhöhte Gefahr für das Kind gezeigt haben, empfehlen Hersteller und Ärzte, während der Behandlung nicht schwanger zu werden und keine Kinder zu zeugen, denn im Tierversuch wurden Schädigungen der Babys nachgewiesen. Der Wirkstoff kann in geringen Konzentrationen im Blut des Ungeborenen und im Fruchtwasser nachgewiesen werden. Grundsätzlich sollte eine Behandlung mit Imurek nicht während einer Schwangerschaft begonnen werden.

Mycophenolat-Mofetil » CellCept

Mycophenolatmefetil (MMF) wurde erst Anfang der 90ger Jahre entwickelt, die chemische Vorstufe wurde bereits in de 70ger Jahre zur Behandlung der Schuppenflechte eingesetzt. Für die Behandlung der Myasthenie wird es seit einigen Jahren gelegentlich eingesetzt, wenn Azathioprin nicht ausreichend wirkt oder nicht vertragen wird. Cellcept hat sich dabei als sehr wirksam und gut verträglich gezeigt, allerdings gibt es erst wenig Erfahrungen mit Langzeitbehandlungen.

Der Hersteller empfiehlt, die Tabletten möglichst auf nüchternen Magen zu nehmen. Sollten dabei Überkeit o.ä. auftreten, kann man es mit einem kleinen Imbiß dazu versuchen oder die Tagesmenge auf mehrere Einnahmezeiten verteilen. Wärend der Behandlung sollte das Blutbild einschließlich der Neutrophilenzahl regelmäßig kontrolliert werden.

Während der Schwangerschaft darf Mycophenolatmofetil nicht eingenommen werden. Im Tierversuch wurde der Wirkstoff auch in der Muttermilch nachgewiesen, CellCept ist daher ein Grund zum Abstillen.

Erste Studien haben die Wirksamkeit und Verträglichkeit bei Myastheniepatienten bereits nachweisen können, in den USA ist das Medikament inziwschen als „Orphan drug“ (eine Ausnahmeregelung, die bei seltenen Erkrankungen Anwendung findet) für die Behandlung der Myasthenie zugelassen.

Cyclosporin A » Sandimmun, Immunosporin, Neoral

Cyclosporin A wird seltener eingesetzt, da es teurer ist als Imurek und mehr Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten bekannt sind. Zudem können die Nebenwirkungen schwerwiegender sein. Allerdings setzt die Wirkung recht schnell ein, schon nach 2-4 Wochen. Es ist ein Ausweichmedikament, wenn Imurek nicht vertragen wird oder keine ausreichende Wirkung zeigt. Die Wirksamkeit bei der Behandlung soll in etwa gleich sein, wie bei Azathioprin.

Die Aufnahme des Wirkstoffes im Darm ist von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich, die Dosierung muß daher sehr individuell eingestellt und kontrolliert werden. Blutbild, Blutddruck und Kreatininwerte müssen regelmäßig kontrolliert werden.

Bei vorhanden Nierenschäden darf das Medikament nicht eingesetzt werden. Während der Behandlung sollte zuverlässig verhütet werden, Neugeborene von mit Cyclosporin A behandelten transplantierten Müttern weisen oft ein verringertes Geburtsgewicht auf. Johanniskraut kann die Wirksamkeit von Cyclosporin deutlich verringern.

Cylcophosphamid » Cyclostin, Endoxan

Cyclophosphamid wirkt nicht nur dämpfend auf das Immunsystem, sondern zudem auch als Zellgift. Es wird deswegen auch in der Krebstherapie eingesetzt. Das Mittel soll Immunreaktionen deutlicher bremsen, als Azathioprin (Imurek), wird aber nur relativ selten eingesetzt (in der Regel dann, wenn alle anderen Medikamente und Behandlungsmöglichkeiten probiert wurden und keinen zufriedenstellenden Erfolg gebracht haben).

Cyclophosphamid wird entweder in niedriger Dosierung täglich eingenommen oder aber alle paar Wochen in höherer Dosis als Infusion gegeben. Die individuelle Dosierung wird anhand des Blutbildes eingestellt.

Abhängig von der Dosis kann die Funktion von Eierstöcken und Hoden gestört werden. Cyclophosphamid überwindet die Plazentaschranke, geht also in den Blutkreislauf des Ungeborenen, und ist in der Muttermilch nachweisbar. Es darf während Schwangerschaft (insbesondere im ersten Drittel) und Stillzeit keinesfalls verwendet werden! Die Gefahr einer Schädigung des Kindes ist groß.

Methotrexat

Methotrexat (MTX) wird bei Myasthenie ebenfalls als Ausweichmedikament eingesetzt, wenn Azathioprin nicht vertragen wird (bei manchen anderen Automimmunerkrankungen gehört dieses Medikament hingegen zu den wichtigsten Immunsuppressiva und wird regelmäßig verwendet).

MTX schädigt das Ungeborene, es darf keinesfalls während der Schwangerschaft verwendet werden. Nach dem Absetzen von MTX sollte noch 6 Monate sicher verhütet werden, gleiches gilt auch für Männer.

MTX kann die Entwicklung einer Leberzirrhose fördern. Man sollte also mit Alkohol während der Therapie zurückhaltend sein, bei Diabetes wird vermutlich eher ein anderes Medikament gewählt werden.

Rituximab » MabThera

Ursprünglich kommt das Medikament aus der Krebsbehandlung (es wird bei Lymphomen eingesetzt). Rituximab ist weltweit bislang nur in Einzelfällen bei Myasthenie-Patienten angewendet worden. Es hat bei diesen Fällen zu einer deutlichen Besserung der Myasthenie geführt.

Tacrolimus » Prograf

Tacrolimus ist einigermaßen ähnlich wie Cyclosporin A, bewirkt allerdings eine intensivere Immunsppression. Es wird bei Myasthenie bislang nur in Einzelfällen eingesetzt, hat aber in den wenigen Fällen, über die in der Fachliteratur berichtet wird, recht positive Ergebnisse gebracht und wird teilweise für die langfristige Immunsuppression bei MG empfohlen.

Tacrolimus wird weniger gut vom Körper aufgenommen, wenn man es zusammen mit fettreichen Nahrungsmittel einnimmt. Johanniskraut wirkt sich negativ auf die Aufnahme von Tacrolimus aus, Grapefruitsaft hingegen erhöht sie.

Tacrolimus darf nicht während Schwangerschaft und Stillzeit eingenommen werden, der Wirkstoff lässt sich sowohl in der Muttermilch als auch im Blutkreislauf des Ungeborenen nachweisen. Bei der Verhütung ist zu beachten, dass Tacrolimus die Wirkung von Verhütungsmitteln, die auf Hormonbasis arbeiten, verändern kann.