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Mestinon, Kalymin » Pyridostigminbromid

Mestinon gibt es als Tabletten zu 10 mg und als Dragees zu 60 mg. Kalymin gibt es als Tablette zu 60 mg. Diesen Tabletten/Dragees ist gemeinsam, das die Wirkung nach ca. 15 bis 30 Minuten beginnt und etwa 3-4 Stunden anhält. Der Wirkungseintritt ist jedoch indivuell recht unterschiedlich und kann zudem je nach Situation auch variieren. Werden die Tabletten auf vollen Magen genommen (also nach einer kompletten Mahlzeit), setzt die Wirkung oft erst später ein. Bei den Dragees kann es bis zum Wirkungseintritt ein bißchen länger dauern als bei den Tabletten (der Zuckermantel muß im Magen erst aufgelöst werden). Und eine deutliche Unterdosierung vor der Einnahme der Tabletten lässt die Wirkung ebenfalls später spürbar werden.

Wenn man die Tabletten pulverisiert und in Wasser aufgelöst trinkt, setzt die Wirkung schneller ein. Laut Literaturangeben hält sich so ein „Mestinonwasser“ bei Raumtemperatur mindestens 6 Stunden. Ein weiterer Vorteil dieser Lösung: man kann sie schluckweise trinken und so eine sehr bedarfsgerechte Dosierung erreichen. Bei heftigen Schluckbeschwerden kann man die zerstampfte Tablette auch in Joghurt, Pudding, Apfelmus, zerdrückte Banane oder ähnliches geben, und so die Tabletteneinnahme erheblich vereinfachen.

Die Wirkung kann insgesamt bis zu 6 Stunden anhalten, die maximale Wirksamkeit lässt aber bereits nach 2 bis 3 Stunden wieder nach. Körperliche Aktivität kann den „Verbrauch“ des Mittels im Körper beschleunigen, viele Myastheniker brauchen bei körperlicher Aktivität auch insgesamt mehr Mestinon. Als Faustregel für die Einnahme der Tabletten gilt: tagsüber alle 3 bis 4 Stunden eine Dosis. Den genauen Abstand sollte man individuell mit dem behandelnden Arzt absprechen.

In Deutschland regulär erhältlich, in Österreich und der Schweiz leider nur mit ein paar Tricks, gibt es außerdem eine Mestinon Retard-Tablette zu 180 mg. Diese Tabletten sind so aufgebaut, das der Wirkstoff nur langsam freigesetzt wird und über einen Zeitraum von 6 bis 12 Stunden abgegeben wird. Sie dürfen halbiert werden, aber nicht in noch kleiner Einheiten zerteilt werden, weil sonst die verzögerte Freisetzung nicht mehr richtig funktioniert.

Die Retard-Tabletten können über Nacht genommen werden und ermöglichen dann einen besseren Start in den nächsten Tag. Schwer Betroffene ersparen sich so die sonst notwendige nächtliche Tabletteneinnahme. Über Tag eingenommen können sie hilfreich sein, wenn die Symptome sich über den Tag sehr häufig in der Stärke ändern. Die Freisetztung des Wirkstoffs kann allerdings nicht besonders exakt gesteuert werden, deswegen wird es eher in selten tagsüber eingesetzt. Nachteil der Retard-Tabletten ist der hohe Preis, der deutlich über dem der normalen Tabletten/Dragees liegt – es wird auch deswegen manchmal nicht gerne verschrieben.

Wird Mestinon/Kalymin in zu hoher Dosierung eingenommen, verschlechtern sich die Symptome wieder. Der Grund dafür: der Botenstoff wird überhaupt nicht abgebaut, es kommt dadurch zu einem Überangebot und die Rezeptoren werden deswegen unempfindlich gegen das Acetylcholin. Gleichzeitig können verstärkt Nebenwirkungen auftreten, insbesondere Muskelzittern, Muskelkrämpfe, Schweißausbrüche, Speichel- und Tränenfluss, Schleimbildung in den Bronchien, Durchfall, Übelkeit/Erbrechen, Unruhe. Nimmt man in solchen Situationen wegen der zunehmenden Schwäche noch mehr Tabletten ein, kann es zur „cholinergen Krise“ kommen, die lebensbedrohlich werden kann.

Steht man bei deutlichen MG-Symptomen vor der Frage, ob man nun zuviel oder zuwenig Mestinon/Kalymin nimmt, kann man sich grob an folgender Faustregel orientieren: Nehmen die Symptome 1/2 bis 1 Stunde nach der letzten Dosis zu und hat man gleichzeitig verstärkt Nebenwirkungen, kann die Dosis zu hoch sein. Nehmen die Symptome ca. 2,5 bis 3 Stunden nach der letzten Dosis zu, ohne das Nebenwirkungen in verstärktem Maße auftreten, kann die Dosis zu niedrig sein. Änderungen der Dosierung sollte man grundsätzlich mit seinem behandelnden Arzt absprechen!

So deutlich die Wirkung von Mestinon und Kalymin sein kann, nicht immer reichen sie aus, um die Schwäche komplett zu beseitigen. Die zerstörerische Aktivität der Antikörper kann durch Pyridostigminbromid nicht beeinfusst werden, so das in schwereren Fällen zusätzlich zu Mestinon und Kalymin Methoden zur Immunbehandlung eingesetzt werden.

In der Schwangerschaft kann Mestinon problemlos eingenommen werden. Bei stillenden Müttern sollen Mengen bis 300 mg pro Tag unbedenklich für das Kind sein.

Interessanterweise wird Pyridostigminbromid über den Magen nur sehr unvollständig aufgenommen. Das zu wissen ist aber nur in einem Fall wirklich wichtig: Wenn aus irgendeinem Grund die Tabletten nicht geschluckt werden können und das Mittel daher gespritzt wird. Die Dosis muß in diesem Fall drastisch verringert werden, sonst folgt unweigerlich eine heftige Überdosierung. Laut Literaturangaben entsprechen 30 mg oral (Tablette schlucken) 1 mg intravenös (per Spritze in die Vene).

In den USA ist Mestinon auch als Sirup mit Himbeeraroma erhältlich, 1 Teelöffel Sirup entspricht 60 mg. Vorteil soll die gute Dosierbarkeit sein, allerdings kann man natürlich mit einem scharfen Messer und mit jedem handelsüblichen Tablettenteiler auch die Dragees teilen. Kalymintabletten kann man recht gut mit der Hand zerbrechen, und die 10 mg-Tabletten (Mestinon) machen eine Dosierung auch geringer Mengen noch einfacher (die 10-mg-Tabletten sind in den USA nicht im Handel).

Mestinon bzw. Kalymin sind die „Standartmittel“ zur Behandlung bei Myasthenia gravis, alle nun folgenden Medikamente werden nur in einzelnen Fällen bzw. zur Diagnose eingesetzt.

Prostigmin » Neostigmin

Neostigmin ist relativ ähnlich wie Pyridostigminbromid.Tabletten sind zu 15 mg erhältlich, ein Nasenspray muss vom Apotheker extra angefertigt werden.

Der wesentliche Unterschied zum Pyridostigminbromid liegt in der Wirkungsdauer: Neostigmin wirkt deutlich schneller, dafür aber weniger lange. Beim Nasenspray setzt die Wirkung binnen weniger Minuten ein. Das Nasenspray scheint zudem etwas deutlicher im Bereich der Mimik-, Sprech- und Schluckmuskultaur zu wirken, ist aber für den Dauergebrauch nicht geeignet.

Anhand der Bezeichnung: Neostigminbromid-Nasenspray NRF 22.6. (Ergänzungslieferung 2000) sollte jeder Apotheker in der Lage sein, das Spray herzustellen. Enthält Stabiliserungs- und Konservierungsstoffe, die auch in vielen andern Nasensprays zum Einsatz kommen und ist 6 Monate haltbar. Dosiert wird mit 1-2 Hüben, 5mg/Hub. Wirkt innerhalb weniger Minuten, die Wirkung hält rund 30 Minuten an

Mytelase » Ambenomiumchlorid

Mytelase ist nur über Auslandsapotheken erhältlich. Die Wirkung setzt relativ langsam ein (laut Literturangaben nach ca. 60 Minuten) und hält 6 bis 8 Stunden an. Eine Überdosierung ist schlechter zu erkennen als bei den zuvor genannten Medikamenten, die korrekte Dosierung ist nicht einfach zu ermitteln. Mytelase wird nur in einzelnen Fällen eingesetzt, wenn PYridostigminbromid und Neostigmin nicht vertragen werden.

Ephedrin

Ephedrin wird in den USA und in Kanada gelegentlich zur Behandlung verwendet, in Europa ist der Einsatz dieses Medikaments nicht üblich.

Tensilon, Camsilon » Edrophoniumchlorid

Tensilon/Camsilon wird ausschließlich für die Diagnose (und evt. für die Verlaufskontrolle) eingesetzt. Das Medikament wird i.v. (in die Vene) gespritzt, die Wirkung setzt binnen weniger Sekunden ein und lässt schon nach wenigen Minuten wieder nach (deswegen ist es für die Behandlung auch denkbar wenig geeignet).

Blick in die Zukunft: Monarsen/EN101

In Israel wird von der Firma Ester Neuroscience ein ganz neues Medikament entwickelt, das nicht die Aktivität der Acetylcholinesterase hemmt, sondern die Bildung derselben bremst. Erste Tests sind bereits im letzten Jahr durchgeführt worden und sehen sehr vielversprechend aus: Das Mittel braucht nur einmal am Tag eingenommen zu werden, Nebenwirkungen traten kaum auf. Derzeit (Juli 2004) wird in Isreal Phase II der Tests für dieses Mittel durchgeführt, vielleicht kommt es innerhalb der nächsten Jahre offiziell auf den Markt.